Interview mit Ladina von Allmen – Projektleiterin eSport Team PostFinance
Ladina von Allmen absolvierte die Ausbildung zur Marketingfachfrau (FA) und Mediamatikerin mit technischer BM. Gegenwärtig arbeitet Ladina als Spezialistin Kommunikation in der Abteilung Sponsoring und Realisation bei der PostFinance AG. Als Projektleiterin betreut Sie das eSport Team PostFinance
Was ist unter dem Begriff E-Sports zu verstehen?
E-Sports (oder auch: elektronischer Sport) steht für Videospielen im kompetitiven Stil. Auf der professionellsten Ebene wird E-Sports von sogenannten Pro Gamern gespielt, die an professionell organisierten Wettkämpfen teilnehmen. Jedes Games hat unterschiedliche Regeln und Formate. Die meisten E-Sports-Wettbewerbe werden in Teams gespielt, die gegeneinander antreten. Heute prägen vor allem drei Genres den E-Sports: Echtzeit Strategiespiele, Ego-Shooter und Sportsimulationen. Im E-Sports geht’s neben den Spielzielen auch immer um gute Teamfähigkeit, Taktik, Augen-Hand-Koordination und Kommunikationsfähigkeit.
Was hat E-Sports mit PostFinance zu tun? Aus welchem Grund hatte PostFinance ein E-Sports Team?
E-Sports gehört zu den global am schnellsten wachsenden Sportarten und ist unterdessen ein Milliardengeschäft. Alleine 100 Millionen Menschen spielen pro Monat weltweit «League of Legends», und an internationalen Turnieren winken den Siegerteams Preisgelder in Millionenhöhe. In diesem spannenden Markt – der in der Schweiz noch ein Nischendasein fristet – wollten wir mit einem digitalen Experiment wertvolle Erfahrungen sammeln und junge, digital affine Kunden ansprechen. Deshalb haben wir unser «League of Legends»-Team «PostFinance Helix» gegründet und fünf jungen Spielern den Start in eine Karriere als Profi-Gamer ermöglicht. Ein Jahr lang haben wir ihnen das Leben inklusive eines monatlichen Gehalts von je 2’500 Franken finanziert und sie durch einen international erfahrenen Coach sowie verschiedene Berater in einem professionellen Umfeld betreut. All das haben wir kommunikativ auf diversen Kanälen (Webseite, Social Media, Twitch, Medienpartnerschaft mit 20min, HeroFest Offline Finale) begleitet mit dem Ziel, die Bekanntheit unseres Engagements und der Marke PostFinance bei er relevanten Zielgruppe möglichst stark zu steigern.
Weshalb habt ihr das Team bereits nach einem Jahr wieder aufgelöst?
Das Projekt war von Anfang an auf ein Jahr begrenzt. Wir haben mit PostFinance Helix in diesem Zeitraum national alle unsere Ziele erreicht und in der DACH Region wertvolle Erfahrungen sammeln können. Eine Weiterführung hätte nur dann Sinn gemacht, wenn wir uns international orientiert hätten. Das wäre jedoch zum einen mit einem deutlich höheren Mitteleinsatz verbunden gewesen, was in der aktuellen Situation von PostFinance nicht machbar war. Zum anderen wäre der Werbefranken weniger effizient eingesetzt gewesen, da ein internationaler Auftritt viel weniger auf unsere Marke als national tätige Bank eingezahlt hätte. Wir sahen PostFinance Helix deshalb bereits zu Beginn des Jahres als Sprungbrett für unsere E-Sportler, um sich professionell weiterzuentwickeln und Unterschlupf in einem europäischen Team zu finden. Das ist gelungen: Der PostFinance Helix Athlet Mahdi „Pride“ Nasserzadeh hat einen Platz im «Fnatic Rising» Team erhalten. Das ist das Academy-Roster von Fnatic, in dem junge, vielversprechende Talente gefördert werden und in der englischen Nationalliga um den Titel spielen.
Was hat PostFinance in Zukunft vor mit E-Sports?
Mit dem «E-Sports Experiment PostFinance» haben wir 2019 Pionierarbeit im schweizerischen E-Sports geleistet. Und wir sind überzeugt, dass E-Sports in den nächsten Jahren auch in der Schweiz stark an Popularität gewinnen wird. Aus diesem Grund haben wir unser Engagement aufrechterhalten und sind seit April 2020 Hauptpartnerin der Schweizer E-Sports Organisation «mYinsanity», die zurzeit in elf Games über 30 semi-professionelle Athleten in ihrer E-Sports Karriere betreut. Dank zahlreichen Turniersiegen auf der ganzen Welt gilt mYinsanity als die erfolgreichste nationale E-Sports Organisation. im August 2020 haben wir den ersten «PostFinance Gaming Cup» ins Leben gerufen. Damit fördern wir die lokale Esports-Community und bieten eine neue Plattform für Gamerinnen und Gamer in der Schweiz. Die neue Turnierserie umfasset drei der zurzeit beliebtesten Games: «Brawl Stars» für mobile Geräte, «NHL 20» für Playstation 4 sowie «League of Legends» für PC. Mit diesem Engagement werden nicht nur die Profis angesprochen, sondern alle, die Freude an Videospielen haben. Die Siegerteams haben sich für das grosse Finale qualifiziert, das an der hybriden Gaming-Messe «HeroFest» im Oktober 2020 stattgefunden hat.
Wo kann PostFinance Erträge generieren?
PostFinance will die führende digitale Bank der Schweiz werden. Unser Engagement im E-Sports soll diese Transformation unterstützen, indem wir junge, digital affine Kunden ansprechen. Ihnen wollen wir aufzeigen, wie einfach es ist, mit den digitalen Produkten und Dienstleistungen von PostFinance seine Finanzen selbstständig und verantwortungsvoll zu verwalten. E-Sports ist dafür eine ideale Plattform, denn schon heute werden in diesem Bereich praktisch alle Zahlungen digital abgewickelt. Sei es für den Kauf von Games und Zusatzinhalten oder auch die Überweisung von Preisgeldern. Auch für die Arbeitsmarktpositionierung erwarten wir uns positive Effekte aus unserem E-Sports-Engagement. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass sich dadurch qualifizierte Hochschulabgänger stärker für ein Unternehmen interessieren. Dadurch erhöhen sich unsere Chancen, auf dem Arbeitsmarkt genau die Mitarbeitenden zu finden, die jene Qualifikationen mitbringen, die für PostFinance in Zukunft immer wichtiger werden.
Was verdienen gute E-Sports Spieler? (Bei PostFinance war der Monatslohn bei 2‘500 CHF).
In der Schweiz ist es schwierig, vom E-Sports zu leben. Dafür sind die Lebenshaltungskosten zu hoch. PostFinance Helix war bisher das einzige Projekt, das den Athleten eine finanzielle Lebensgrundlage geboten hat. International sieht es etwas anders aus. Professionelle Esportler sind vergleichbar mit klassischen Sportlern – vom normalen Lohn bis zu Millionenpreisgeldern ist da alles vertreten. Und auf dem Transfermarkt wurden vor Kurzem 5 Millionen US-Dollar für einen E-Sportler bezahlt.
Wie hoch ist der Frauenanteil? Warum ist im PostFinance Helix Team keine Frau?
Das Geschlecht war für uns nie ein Entscheidkriterium. Was wir jedoch klar definiert haben, waren die Anforderungen an die Kandidatinnen und Kandidaten, um es in die engere Auswahl zu schaffen. Dafür haben wir einen mehrstufigen Bewerbungsprozess etabliert, in dem die Anforderungen stetig stiegen. Ausserdem mussten wir nicht nur die fünf verschiedenen Rollen von League of Legends besetzen, sondern auch verschiedene Rollen innerhalb des Teams. Um eine funktionierende und möglichst positive Teamdynamik zu schaffen, haben wir einen Mix gesucht aus erfahrenen Spielern, die eine Leaderrolle einnehmen konnten, und jungen, aufstrebenden Talenten, die das Team ideal ergänzten. Zum Schluss konnten sich aus den 830 Bewerbungen jene Spieler durchsetzen, die diesen Anforderungen am besten entsprochen haben.. Und auch wenn im Team selber keine weibliche Spielerin vertreten war, so wurde doch unser komplettes E-Sports–Engagement von einer Frau als Projektleiterin initiiert, organisiert, realisiert und weiterentwickelt.
Wie sieht das Zielpublikum von E-Sports aus?
Die Förderung vielfältiger Sportarten hat bei PostFinance Tradition. Mehr als ein Drittel der Schweizer Bevölkerung spielen mindestens einmal pro Woche Videospiele, mehr als jeder Zehnte sogar täglich. Gaming – ob aktiv als Spieler oder passiv als Zuschauer – ist in unserer Gesellschaft zum weitverbreiteten Zeitvertreib geworden. Im digitalen Zeitalter war es für uns deshalb naheliegend, dass wir uns in diesem innovativen Bereich engagieren. Dabei trafen wir mit unserem E-Sports-Engagement auf ein junges, digital affines Publikum und auf breites Interesse sowie eine grosse Akzeptanz.
Was erwartet PostFinance vom Zielpublikum?
Unser E-Sports-Engagement ist bei den relevanten Zielgruppen auf grosses Interesse gestossen. Wir erhielten bspw. zum Start des Experiments mehr als 800 Bewerbungen für unser Team. Auch die Medienresonanz war sehr hoch und positiv geprägt. So konnten wir über einen längeren Zeitraum Einblicke in den Alltag des ersten E-Sports Profi Teams der Schweiz geben und dessen Entwicklung auf den verschiedenen Kanälen aufzeigen. Am Open Day hatte eine breite Öffentlichkeit die Möglichkeit, sich ein Bild von der Trainings-Facility von PostFinance Helix, dem Team und damit einhergehend auch von E-Sports generell zu machen. Die Besucher konnten unseren Athleten Fragen stellen und den direkten Kontakt suchen. Ausserdem haben wir zahlreiche Anfragen von Studierenden erhalten, die ihre Matur-, Bachelor- und Masterarbeiten zum Thema E-Sports und PostFinance Helix verfassen wollten. All das zeigt, dass das Thema für unsere primäre Zielgruppe, nämlich junge, digital affine Leute, relevant ist. Entsprechend ziehen wir aus dem Experiment eine durchwegs positive Bilanz und sind stolz, dass wir die jungen Spieler auf einem Abschnitt ihres Weges zur Profi-Karriere begleiten konnten.
Wie wird sich das Ganze in Zukunft verändern? Wird sich E-Sports wie der klassische Sport etablieren (Olympiade, …)
Der globale E-Sports-Markt wächst seit Jahren stark. Während der Umsatz 2015 noch 325 Mio. US Dollar betrug, verdreifachte er sich bis 2018 nahezu auf ca. 906 Mio. US-Dollar (Newzoo, 2018). 2021 wird der Umsatz auf 1,6 Mrd. US-Dollar geschätzt (Newzoo, 2018). Vor allem Sponsoren sind heute der grösste Umsatztreiber. Das liegt aber auch daran, dass bei den Medienrechten noch grosses Potenzial für die Zukunft besteht. E-Sports wird oft und gerne im TV oder auf Streaming-Plattformen konsumiert. Bestätigt wird dies u.a. durch globale Marktanalysen, die 2018 noch von unter 400 Mio. E-Sports-Zuschauern sprechen, für das Jahr 2021 jedoch bereits 600 Mio. Zuschauern prognostizieren (Newzoo, 2018).
Vielen Dank für das spannende Interview.